Was Bewerbende und HR über KI-gestützte Bewerbungsprozesse wissen sollten
Was für viele überraschend kommt, ist für HR-Teams teilweise bereits gelebte Praxis. Algorithmen und KI-Systeme kommen zunehmend bei der Vorauswahl von Bewerbungen zum Einsatz. Doch wie funktionieren diese Systeme eigentlich? Und worauf sollten Menschen achten, die einstellen oder sich bewerben?
Wie funktioniert CV-Screening-Software?
CV-Screening-Software hilft dabei, Lebensläufe automatisch zu analysieren und relevante Informationen zu erfassen. Grundlage ist ein sogenannter CV-Parser, der Angaben wie Name, Ausbildung, Berufserfahrung und Fähigkeiten erkennt und aufbereitet. Diese Informationen werden anschliessend mit den Anforderungen der Stellenanzeige abgeglichen.
Moderne Systeme arbeiten dabei nicht nur mit einfacher Stichwortsuche. Sie nutzen auch Methoden aus dem Bereich Natural Language Processing, kurz NLP. Damit erkennen sie Begriffe, die inhaltlich zusammengehören. Wer beispielsweise «Scrum» im Lebenslauf nennt, kann von der Software als passend für eine Projektmanagement-Rolle eingestuft werden, auch wenn das Wort «Projektmanager:in» selbst nicht auftaucht.
Für HR bedeutet das mehr Tempo und Vergleichbarkeit. Für Bewerbende heisst es: Die erste Bewertung erfolgt oft durch eine Software. Wer das weiss, kann seine Unterlagen gezielt darauf ausrichten.
Worauf sollten Bewerbende achten?
- Format: Speichern Sie Ihren Lebenslauf als PDF mit normal geschriebenem Text. Vermeiden Sie Layouts, die hauptsächlich aus Bildern, Textfeldern oder mehrspaltigen Strukturen bestehen. Solche Formate können von einer Software nicht zuverlässig gelesen werden.
- Struktur: Verwenden Sie gängige und klar erkennbare Überschriften wie Berufserfahrung, Ausbildung oder Kenntnisse. So finden Systeme die relevanten Abschnitte leichter.
- Text statt Grafik: Schreiben Sie Ihre Inhalte im Fliesstext oder in einfachen Listen. Verzichten Sie auf Icons, Punktesysteme, Tabellen oder grafische Darstellungen von Fähigkeiten, da diese oft nicht erkannt werden.
- Passende Begriffe: Verwenden Sie zentrale Begriffe aus der Stellenausschreibung – aber nur dann, wenn sie tatsächlich auf Ihr Profil zutreffen. So erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Profil als passend eingestuft wird.
- Fehlerfreiheit: Achten Sie auf einheitliche Schreibweisen bei Jobtiteln, Firmennamen und Datumsangaben.
- Selbsttest: Viele Portale zeigen nach dem Upload an, welche Informationen erkannt wurden. Nutzen Sie das zur Kontrolle.
Wie funktioniert Matching und warum ist es mehr als Stichwortsuche?
Viele Systeme bewerten heute automatisch, wie gut ein Profil zu einer Stelle passt. Diese sogenannten Matching-Algorithmen kommen in Bewerbermanagementsystemen, auf Jobplattformen oder in unternehmensinternen Talentpools zum Einsatz.
Dabei geht es nicht nur um den Abgleich einzelner Wörter. Moderne Algorithmen erkennen auch Zusammenhänge. Wer beispielsweise Python beherrscht – eine Programmiersprache, die häufig in der Datenanalyse und Automatisierung eingesetzt wird – gilt als geeignet für datenbezogene Aufgaben, auch wenn das Stichwort «Datenanalyse» im Lebenslauf nicht explizit genannt wird. Möglich wird das durch sogenannte semantische Verfahren, die Begriffe nicht isoliert, sondern im Kontext interpretieren.
Auf dieser Grundlage berechnen viele Systeme einen sogenannten Matching Score. Er zeigt, wie gut ein Profil zu den Anforderungen einer Stelle passt. Hohe Werte stehen für eine grosse Übereinstimmung, niedrige weisen auf Lücken hin. Die Bewerbungen werden oft automatisch sortiert, sodass das HR schneller erkennt, welche Profile besonders gut passen.
Auch für Bewerbende kann das von Vorteil sein. Ein sorgfältig formulierter Lebenslauf, der ein vollständiges Bild vermittelt, wird eher erkannt, selbst wenn nicht jedes Schlagwort exakt vorkommt.
Was sind automatisierte Interviews?
Einige Unternehmen beginnen, automatisierte Formate im Recruiting zu nutzen. Dazu zählen zeitversetzte Video-Interviews und Chatbot-gestützte Vorabfragen.
- Video-Interviews: Bewerbende erhalten einen Link zu einer Plattform, auf der sie vorgegebene Fragen per Video beantworten. Ein direktes Gegenüber ist nicht beteiligt.
- Chatbots: Diese Systeme stellen gezielte Fragen zu Verfügbarkeit, Motivation oder fachlicher Erfahrung. Die Antworten werden digital erfasst und anschliessend von HR-Mitarbeitenden geprüft.
Gerade im deutschsprachigen Raum setzen Unternehmen solche Tools bewusst ohne automatische Bewertung durch KI ein. Die Auswertung erfolgt also weiterhin durch Menschen. Für das HR kann das eine Entlastung bedeuten, da Antworten flexibel und unabhängig von Zeit und Ort geprüft werden können. Für Bewerbende gilt: Gut vorbereitete, klare und authentische Antworten bleiben zentral.
Vertrauen entsteht nicht automatisch
Wie Bewerbende den Einsatz von KI im Auswahlprozess wahrnehmen, ist entscheidend. Studien zeigen: Je später und je persönlicher eine Phase ist, desto kritischer reagieren Kandidatinnen und Kandidaten auf automatisierte Verfahren. Viele verbinden damit Unpersönlichkeit, fehlende Wertschätzung und eine intransparente Entscheidungsfindung.
Wer das ignoriert und nicht adressiert, riskiert Vertrauen und möglicherweise auch qualifizierte Bewerbungen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein Risiko, das sich vermeiden lässt.
Bevor KI in der Rekrutierung eingesetzt wird, empfehlen wir eine strategische Auseinandersetzung. Es gilt zu prüfen, wo sie echten Mehrwert schafft, wie Vertrauen gestärkt werden kann und welche Risiken zu beachten sind. Solange KI mit Skepsis verbunden ist, bleibt sie vor allem ein unterstützendes Werkzeug. Entscheidend wird sein, wie gut es gelingt, technologische Lösungen und menschliche Kompetenz sinnvoll zu verbinden, um nicht nur Prozesse zu verbessern, sondern auch Akzeptanz zu fördern und Vertrauen langfristig zu sichern.